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Autogenes Training: Bewusst auf dem Weg aus der innerlichen Verspannung

Klar gibt es guten Stress. Der ist nicht ungesund, weil er nur kurzfristig auftritt. Zur Volkskrankheit ist allerdings sein hässlicher Zwilling, der negative Stress, geworden. Und der kann üble Folgen für die Gesundheit haben, vor allem, wenn er langfristig ein Thema ist. Von ärgerlichen Verspannungen im Rücken über erhöhte Infekt-Anfälligkeit bis hin zu Burnout-Syndrom, Depressionen und lebensbedrohliche Krankheiten reichen die Folgen. Nun kann man nicht gerade sagen, dass wenige Menschen unter Stress leiden. Im Gegenteil: Stress ist zur Volkskrankheit Nummer eins geworden. Deswegen ist es von Vorteil, ein paar Hilfsmittel zur Hand zu haben, um mit ihm fertig zu werden. Autogenes Training ist ein möglicher Weg aus der innerlichen Verspannung.

Wege zur Stressbewältigung

Genau genommen, ist Stress nichts anderes als Alarmbereitschaft. Das Gehirn produziert Adrenalin und Kortison, während der Blutdruck steigt. Was über kurze Strecken von Vorteil sein kann, ist auf Dauer ungesund. Ebensowenig, wie ein Motor permanent im roten Drehzahlbereich gefahren werden will, möchte der menschliche Körper auf Dauer in Alarmbereitschaft leben. Ein zu anstrengender Arbeitsalltag am Bürostuhl, Angst um den Job beziehungsweise Einsamkeit können dazu beitragen, dass aus Stress ein Dauerzustand wird. Daher ist es langfristig wichtig, sich auf täglicher Basis bewusst Pausen zu verschaffen und buchstäblich durchzuatmen.

Zeit zum Durchatmen bot bis vor wenigen Jahren noch der Feierabend oder das geruhsame Wochenende. Doch mit einer hektischeren Arbeitswelt hat sich auch unsere Vorstellung von Freizeit geändert. Ein ruhiges Wochenende im Sessel, ein Buch und zwischendurch ein Spaziergang durch beschauliche Landschaft und Sonntag auf den Fußballplatz oder ans Radio – zum Bundesligahören? Sowas von out. Heute geht’s nach der freitäglichen After-Work-Party am Samstag in aller Herrgottsfrüh zum Canyoning, zum Bouldern oder zum Trickski-Kurs und anschließend in einen angesagten Club zum Leute kennenlernen und Kontakte pflegen. Der Sonntag steht ganz im Dienst der Pflege von Twitter, Facebook und Konsorten, vom Gang ins Fitnessstudio, Schwimmbad oder Spinning, dem Ausbau von Fremdsprachenkenntnissen oder, ganz banal, der unter der Woche zwangsweise vernachlässigten Hausarbeit. Diese Beispiele mögen maßlos übertrieben sein, im Kern aber kommen sie der Wahrheit näher als die Lebensrealität unserer Großeltern. Damals musste schon viel passieren, dass die lieb gewordenen Rituale zwischen Schrebergarten, Stammtisch, Stadion und Sonntagsbraten am Wochenende oder nach dem Schichtende abgesagt wurden.

Diese Entwicklung passt zu den sonstigen Zeichen der Zeit. Nicht nur wird von Arbeitnehmern immer mehr Leistung beziehungsweise längere Anwesenheit und eine Erreichbarkeit bis weit über Feierabend hinaus abverlangt. Außerdem wird der Fokus auf ein möglichst ereignisreiches Leben durch Social Media maßgeblich geprägt. Salopp gesagt: Die Timeline führt konzentriert vor Augen, was ein unbestimmter Schwarm von Leuten erlebt hat, wodurch zumindest unterbewusst Zugzwang und Neid aufkommt. Frei nach dem Motto „Ja, bin ich eigentlich der einzig Blöde, der heute auf dem Bürostuhl sitzt und nicht im Liegestuhl in der Karibik Cocktails schlürft, auf einem Berggipfel steht oder mit den Kindern beim Eisessen sitzt?“

So entstehen Bedürfnisse, deren Erfüllung wiederum emsig geteilt wird und somit den Kreislauf von neuem in Gang setzt. Selbstverständlich gibt es noch unzählige andere Begründungen, wieso unser heutiges Leben trotz allen technischen und mechanischen Neuerungen nicht einfacher und ruhiger geworden ist, sondern vielmehr hektischer. Ohne regelmäßige Unterbrechung und bewusstes Herausnehmen der eigenen Person aus den eingeschliffenen Regularien der modernen Welt reiben sich Körper und Seele auf. Natürlich hilft es, im Fitnessstudio den Kopf frei zu kriegen oder beim Paragliding oder Freeclimbing neue Perspektiven zu erhalten. Aber nebenbei entspannen sich weder Seele noch Geist. Doch genau das ist es, was die meisten verlangen: Tiefenentspannung durch Action. Dass das nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Vielmehr bedarf es bewusst gesetzter Auszeiten, in denen sich Körper und Geist vom Stress zwischen Bürostuhl und Freizeit erholen können. Autogenes Training ist eine von vielen möglichen Varianten – das Verfahren steht hoch im Kurs bei der Behandlung von Stresssymptomen wie Schlafstörungen, hohem Bluthochdruck oder Kopfschmerzen.

Was ist autogenes Training?

Es handelt sich dabei um ein auf Autosuggestion basierendes Entspannungsverfahren. Entwickelt wurde es vom Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz, der es 1926 erstmals vorstellte. In seinem Buch „Das autogene Training“ stellte er das Verfahren einer breiten Öffentlichkeit vor; zahlreiche Studien bestätigten seine Wirksamkeit. In Deutschland und Österreich ist es eine gesetzlich anerkannte Methode zur Psychotherapie. Der Begriff „autogen“ setzt sich aus dem Griechischen „auto“ (ursprünglich, selbsttätig) und dem Lateinischen „genero“ (erzeugen, hervorbringen) zusammen. Insofern ist die Bezeichnung „Autogenes Training“ knapp an der Realität vorbei: Autogen ist nicht das Training, sondern die Entspannung.

Hervorgerufen wird sie nämlich durch den Anwender selbst. Anfangs angeleitet durch einen Trainer, soll der „Lehrling“ irgendwann selbst im Stande sein, sich sozusagen von innen heraus in einen Entspannungszustand zu versetzen. Grundlage für die Erfindung des Autogenen Trainings war die Beobachtung von Johannes Heinrich Schultz, dass Muskelentspannung zu Ruhe im Gehirn führen kann. Die Botschaft an das menschliche Schaltzentrum laute „In der Peripherie herrscht Ruhe“, so Schultz. Dadurch könne auch das Gehirn zur Ruhe kommen. Ebenso steckt viel vom Gedanken der Hypnose in diesem Entspannungsmodell: Das Gehirn wird durch Autosuggestion in Ruhe versetzt, also „umgeschaltet“. Das wichtigste beim Autogenen Training ist daher, nach Beendigung der Übungen in den Normalbetrieb „zurückzuschalten“, um nicht im tranceähnlichen Zustand zu bleiben.

Wie funktioniert autogenes Training?

Es gibt drei Trainingsstufen, die nacheinander durchlaufen werden: Die Grundstufe, die Mittelstufe und die Oberstufe. Während in der Grundstufe das vegetative Nervensystem angesprochen wird, beeinflussen die Methoden der Mittelstufe das Verhalten durch fomelhafte Vorsatzbildung. Die Oberstufe schließlich erschließt unbewusste Bereiche des Übenden. Ob Anfänger oder Fortgeschrittener: Die Ruhe stellt sich ausschließlich durch gedankliche Konzentration ein.

Idealerweise begeben sich Anfänger in die Hände eines erfahrenen Trainers, der mit ihnen die ersten Stufen des Autogenen Trainings geht. Der Trainer wiederholt dabei mantraartig Formeln wie „Ich bin vollkommen ruhig“ oder „Der linke Arm wird ganz schwer“, um körperliche Vorgänge zu beeinflussen. Der Übende lernt dabei, sich gezielt gedanklich mit einem Teil seines Körpers zu beschäftigen. Um alle Übungen der Grundstufe zu erlernen, bedarf es normalerweise einiger Wochen. In dieser Zeit ist es von Vorteil, sich einer Gruppe anzuschließen und gemeinsam zu trainieren. Gerade am Anfang ist es unabdingbar, sich nur mit einzelnen Übungen zu beschäftigen. Wer sich dem Thema selbst nähern möchte, kann das mit ein paar einfachen Übungen tun, die im Folgenden vorgestellt werden.
Wie immer an dieser Stelle die ausdrückliche Warnung: Beschwerden wie Herzrasen, Schlafstörungen, Verdauungsprobleme oder Bluthochdruck können zwar Anzeichen für permanenten Stress sein. Sie können aber auch Hinweis auf eine ernste physische Erkrankung sein, denen sich nicht mit Entspannungsübungen begegnen lässt – sprechen Sie deswegen unbedingt mit Ihrem Arzt, wenn Sie solche Symptome bei sich bemerken.

Übungen in der Grundstufe

  1. Ruheübung
    Um zu Beginn des Trainings grundsätzlich zur Ruhe zu kommen, schließen Sie die Augen. Nehmen Sie die Dunkelheit wahr und stellen Sie sich folgenden Schriftzug vor, der wie auf einer Kinoleinwand vor Ihrem inneren Auge erscheint: „Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich stören.“
  2. Schwere-Übung
    Wenden Sie sich ihren Armen und Beinen zu. Auf der gedachten Kinoleinwand erscheint der Schriftzug: „Meine Arme und Beine sind ganz schwer“.
  3. Wärme-Übung
    Diese Übung soll die Durchblutung in ihren Armen und Beinen anregen. Stellen Sie sich folgenden Schriftzug vor: „Meine Arme und Beine werden warm“.
  4. Atem-Übung
    Unter dem Motto „Mein Atem fließt ruhig und gleichmäßig“ sollen sich Ihre Atemzüge nicht verlängern oder bewusst regelmäßig gesetzt werden. Achten Sie im Gegenteil darauf, wie Ihr Atem fließt und er wird sich von ganz alleine beruhigen.
  5. Herz-Übung
    Konzentrieren Sie sich auf ihren Herzschlag. Wie schnell schlägt Ihr Herz, wie laut und wie regelmäßig? Stellen Sie sich den Schriftzug „Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig“ auf der imaginären Kinoleinwand vor.

Am Ende einer oder mehrerer verbundener Übungen weisen Sie ihre Arme an, fest und kraftvoll zu werden und sagen laut „Tief einatmen! Augen auf!“ So beenden Sie das Training bewusst. Wie bereits gesagt, ist diese Phase die wichtigste Phase – da Körper und Geist wieder auf Normalbetrieb geschaltet werden. Vor allem das regelmäßige Üben in der Gruppe führt schnell zum Erfolg. Fortgeschrittene können sich irgendwann selbst anleiten und durch eine vielfach trainierte Übungsreihe einfach und effektiv in einen Entspannungszustand verfallen, der ein wichtiger Gegenpol zur täglichen Hektik werden kann.

Ergonomisch arbeiten mit höhenverstellbaren Schreibtischen und Büromöbeln.

Ergonomische Bürostühle

Experten Tipp: Nach 50 Minuten Pause

Wie sieht das konkret aus?

Nach 50 Minuten Bildschirmarbeit sollten Sie eine Pause von 10 Minuten einlegen. Gönnen Sie sich etwas Bewegung, atmen Sie frische Luft und trinken Sie ausreichend Wasser. Ein Blick in die Ferne und Augenentspannungsübungen geben Ihren Augen neue Energie für die visuelle Arbeit.

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